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Mai/Juni 2006 - Von Zürich aus durchs Elsass und durch Lothringen
bis in die Ardennen
Roulette
mit dem Wettergott
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Hier
gibt's den kompletten Reisebericht ohne Fotos als PDF-File (172 KB)
Es sind diese Tage! Man kennt das ja: der linke Fuss steht zuerst
auf und der Rechte hinkt so komisch hintendrein, am Morgen fühlt
man sich wie gerädert und nichts will gelingen, alles fällt
einem aus der Hand und man täte besser daran, sich nochmals die
Decke über den Kopf zu ziehen und im Bett zu bleiben! So ist
das und genau so geht's mir heute: mitten in der Nacht reisst mich
ein Traum aus dem Schlummer, ich kann lange nicht mehr einschlafen
und stelle mir lieber vorsorglich mal den Wecker auf acht Uhr, denn
am Vormittag - kurz nach zehn - geht unser Zug nach Basel, und den
wollen wir ja nun wirklich nicht verpassen... Papperlapapp! Um sechs
Uhr bin ich sowieso wach und warte sehnsüchtig darauf, dass die
Zeiger auf dem Zifferblatt sich doch bitte etwas schneller bewegen
mögen. Also besser gleich aufgestanden, Kaffeemaschine angeworfen,
einen kurzen Blick aus dem Fenster gewagt...
Aha:
blauer Himmel! Dem Neigungsgrad der Trauerweide in Nachbars Garten
nach zu schliessen scheint es jedoch ziemlich windig zu sein. Kurz
ins Internet. Laut Meteo Schweiz bleibt es in der Nordschweiz veränderlich,
teilweise dichte Bewölkung, aber weitestgehend trocken. Das
immerhin. Was sagt France Meteo? Im Elsass und in Lothringen heute
und morgen Regenwetter und erst für Samstag sieht man ein Piktogramm
mit aufgelockerten Wolken und ein klein wenig Sonne. Aber Hallo!
Ausgerechnet heute und morgen Regenwetter? Was nun?
Margrit
steht kurz vor sieben auf der Matte und während ich ihr die
Lage schildere, kommt mir die zündende Idee: warum nicht schon
hier von der Haustüre aus losradeln und das Wetter ausnutzen?
Denn hier soll's ja noch trocken bleiben. Und bis Basel bzw. ins
Elsass brauchen wir so circa zweieinhalb Tage, wir werden also am
Samstag erst in Frankreich eintreffen, genau dann, wenn dort das
Wetter wieder besser sein wird. Während wir hin und her überlegen
und abwägen, kommt mir noch zusätzlich in den Sinn, dass
ich neulich beim Landkartenstöbern in meinem "Archiv"
auf den BIKELINE-Radreiseführer "Rheinradweg 1" gestossen
bin und ich mich an die angenehme Spätsommertour
1998 erinnerte und auch daran, dass ich die Routenführung
auf der deutschen Seite als schöner empfand als diejenige auf
der schweizer Seite. Wir beschliessen, unsere Reisepläne noch
einmal, ein allerletztes Mal zu ändern und unsere Radreise
direkt vor der eigenen Haustür zu beginnen. Dieser Reise geht
nämlich eine umfangreiche Planungs-Odyssee voraus, die ich
gleich erzählen werde. Wem das nun zu langweilig ist, der darf
gleich vorrücken zum ersten Tag,
wer's trotzdem lesen mag, hier ist die Vorgeschichte:
Die
Vorgeschichte
So
wie im letzten Jahr wollte ich es diesmal nicht mehr machen: im
Frühsommer mit der dreiwöchigen
Radreise schon drei Viertel meiner Ferien verballert, im Herbst
dann "nur" mehr die Städtereise nach Ferrara,
die nicht wirklich Erholung brachte, weil wir uns bei schönem
Wetter zwischen Stadtmauern regelrecht eingesperrt fühlen und
uns urbaner Trubel eher anstrengt denn beruhigt. Ein Gefühl
des Ungleichgewichtes blieb zurück, eine regelrechte Urlaubsaufteilungs-Asymmetrie
- und im Januar bin ich heuer schon wieder urlaubsreif und hab das
Gefühl, dass mein letzter Tapetenwechsel eine Ewigkeit her
ist! Nun, in diesem Jahr sollen die Urlaubstage besser verteilt
werden und dabei natürlich trotzdem möglichst viele freie
Tage herausspringen. Christi Himmelfahrt und Pfingsten...da gibt's
Feiertage und Brückentage, da könnte man Einiges rausholen
ohne allzuviel Urlaubstage opfern zu müssen, und somit steht
schon mal der Termin für die erste Reise in diesem Jahr fest.
Doch
wohin? Man möcht's nicht glauben, aber Frankreich scheint mich
nicht mehr so zu rufen! Der Zauber, der seit bald zwei Jahrzehnten
auf mich einwirkt, scheint seine Kraft etwas eingebüsst zu
haben und sich zu relativieren - vielleicht pausiert er ja auch
nur, wer weiss? Voriges Jahr haben wir die schon längst durchgeplante
Reise durch Lothringen zu Gunsten des Europaradweges aufgegeben,
und zwar ziemlich spontan und eigentlich ohne grosses Bedauern.
Im Nachhinein hat der Urlaubsverlauf diese Entscheidung dann sehr
wohl gerechtfertigt und besonders der ostdeutsche Teil der Reise
hat uns sehr beeindruckt: Mensch, Natur und Architektur...alles
hat uns sehr gefallen und ganz automatisch habe ich mein Augenmerk
nun mehr nach Osten gerichtet. Die Schauplätze meiner Appetitanreger
während der kalten Jahreszeit - nämlich die im Internet
veröffentlichten Reiseberichte der Radlerkollegen - lagen alle
im Osten. Gerade Schlesien, der Süden Polens, kristallisierte
sich bald als mögliches Reiseziel heraus. Warum auch nicht?
Start in Dresden, Radreise über Görlitz, Breslau und Oppeln
nach Krakau
und da gibt's doch noch die Route der Adlerhorste...in
Krakau dann die Tuchhallen und Bernstein und Klezmer-Konzerte und
mitteleuropäische Geschichte und Kultur ohne Ende
Es
folgt das übliche Prozedere: Infos sammeln, Landkarten kaufen
und schon mal vorfreudigst neongelb die Route einzeichnen. Zeitgleich
erstehe ich zusätzlich noch eine neue Auflage des Cyklos-Reiseführers
über Tschechien samt Landkarten, weil ich mir für eine
zweite Reise im Spätsommer Anregungen holen möchte. Und
Anfang März begeben wir uns ins Reisebüro des Bahnhofes
bei uns in Oerlikon, um die Anreise zu organisieren. Tickets für
den Nachtzug nach Dresden (wir wollen wieder mit der CityNightLine
fahren) gibt's leider für die ersehnte Anreise am Mittwochabend
nicht mehr - sieh an - sondern erst für die Nacht von Donnerstag
auf Freitag. Schade, da geht uns der schöne freie Christi Himmelfahrtstag
als möglicher erster Reisetag verloren, aber das sind die Umstände,
das bedeutet eben einen Tag weniger zur Verfügung zu haben.
Nun, wir kaufen die Tickets für die Hinreise von Zürich
nach Dresden trotzdem. Die Rückfahrt von Krakau nach Zürich
hört sich aber gar nicht gut an: etliche Umsteigeaktionen,
entweder circa vierundzwanzig Stunden mit diversen Wartezeiten auf
Bahnhöfen unterwegs sein, oder das Ganze auf zwei Tage verteilt.
In Anbetracht des verlorenenen Hinreisetages und der relativ kurzen
Reisezeit liegen uns zwei Rückreisetage schwer im Magen und
wir sind alles andere als froh darüber. Erfahrungswerte der
letzten Jahren haben gezeigt, dass die Anspannung und Aufregung
beim vielen Umsteigen mit Rädern samt Gepäck einen Teil
der Urlaubserholung wieder auffrisst - zumindest uns geht es so.
Es tauchen allerlei Grundsatzfragen auf. Zum Beispiel: wie wichtig
ist uns überhaupt das Reiseziel? Auf was können wir gut
und gerne verzichten, auf was kommt es uns denn am meisten an, wenn
wir auf Veloreise gehen? Richtig: das Unterwegs-Sein ist das vordringliche
Ziel! Mit dem Rad durch die Landschaft gondeln und uns von morgens
bis in den frühen Nachmittag hinein körperlich bewegen,
später dann den Rest des Tages lesend, schreibend, relaxend
oder besichtigend ab- und den eigenen Gedanken nachhängen.
Mein Blick fällt auf den Reiseführer über Tschechien...mit
Dresden als Ausgangspunkt könnte man doch...genau! Die Elbe
und das Elbsandsteingebirge...irgendwie eine Route von Nord nach
Süd austüfteln und die Reise dann in Wien, besser noch
in Linz oder Passau beenden. Von dort kommt man ja problemlos an
einem Tag zurück nach Zürich. Planänderung! Margrit
ist einverstanden - sie hat im Spätsommer sowieso noch eine
andere Reise vor und lässt mir bei der Planung dieser Ferien
hier freie Hand. Tschechien heisst also nun die Devise: aus Böhmen
kommt die Musik...humtata trara...auch nicht schlecht!
Dann
ziehen die Wochen ins Land und kurz vor Ostern komme ich auf die
glorreiche Idee, ich könnte ja schon mal in Dresden eine Übernachtung
flott machen (ich wollte das, wie sonst auch, erst ein paar Tage
vor Reisebeginn tun), dann hab' ich das erledigt und wir können
beruhigt anreisen, etc. p.p.. Natürlich wollen wir einen Tag
in Dresden verbringen und die Stadt besichtigen. Tja, und dann sitze
ich stundenlang am PC, versuche online ein Doppelzimmer zu ergattern,
telefoniere mir die Finger wund, mit dem Ergebnis, dass in und um
Dresden am Christi Himmelfahrts-Wochenende alles dicht ist. Ein
Hotelier erzählt mir sogar, dass sein Hotel zu diesem Datum
meist schon ein Jahr im Voraus ausgebucht ist! Auch elbaufwärts,
in Pirna, Bad Schandau oder einigen kleineren Orten auf der Strecke
hab ich kein Glück. Uff...damit hab ich nun wirklich nicht
gerechnet...da bin ich ganz naiv in eine Falle getappt. Ich bin
wohl zu verwöhnt von unseren bisherigen Reisen, wo Hochtourismus
und ausgebuchte Unterkünfte noch nie ein Thema waren. Also
Laune macht das ja nicht gerade, und die Aussicht, jeden Tag viel
Zeit mit der Zimmersuche zu vergeuden ist nun auch nicht unser Ding.
Aber was nun? Was tun? Da tauchen nun nochmals die gleichen Grundsatzfragen
auf, die wir schon ein paar Wochen vorher bezüglich der Polenreise
erörtert haben.
Was
wäre, wenn wir uns um hundertachtzig Grad drehen und nicht
nach Osten, sondern doch nach Westen blicken? Dann könnten
wir gleich am Donnerstagmorgen Richtung Basel lostigern, anstatt
diesen Tag auf den Nachtzug wartend zu verbringen (denn dass wir
den ganzen Tag eh nur mehr ungeduldig in der Wohnung herumlungern
und die Stunden und Minuten zählen werden, ist ja wohl klar...).
Was ist mit der angedachten Reise durch Elsass und Lothringen, einfach
nach Nordnordwest, soweit die Füsse tragen (beziehungsweise
solange die Zeit reicht)? Genau, das tun wir nämlich jetzt!
Und geben das Ticket nach Dresden wieder zurück und entrichten
meinetwegen und dummerweise eben eine Bearbeitungsgebühr und
verschieben eine Reise nach Osten auf einen anderen, einen späteren
Zeitpunkt.
Jedenfalls,
um diese lange Vorgeschichte endlich abzuschliessen, nach ein paar
Tagen entsteht folgender Plan: Zugfahrt von Zürich nach Basel...Start
von Basel aus...ein paar Meter den Doubs entlang Richtung Südwesten,
dann westlich der Vogesen nach Norden...über Montbeliard, Vesoul,
Bourbonne-les-Bains
vielleicht dann bei Neufchâteau die
Meuse erreichen und diesen Fluss entlang bis nach Namur
und
von Brüssel aus gäbe es einen direkten Zug mit Velomitnahme
wieder zurück nach Basel. Und die Zugverbindung Zürich-Basel
ist eh problemlos. Das war dann der letzte Stand der Dinge...vor
dem Donnerstag Morgen...
Und
hier geht's jetzt endlich zum Reisebericht:
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Donnerstag,
25.5.06. Von Zürich nach Tiengen (55 km)
Wir
beschliessen also angesichts der Wettervorhersage ganz spontan, unsere
Radreise schon direkt vor unserer Haustür zu beginnen und NICHT
den Zug nach Basel zu nehmen. Natürlich müssen wir die Bahntickets
nach Basel zurückgeben und hoffen, dass man kulant sein und uns
wenigstens einen Teil des Fahrkartenpreises zurück erstatten
wird. Man ist kulant und unser pekuniärer Verlust bei dieser
Aktion ist nicht wirklich der Rede Wert.
Jedenfalls:
kurz nach acht sind wir schon unterwegs, eigentlich unerwartet früh.
Margrit tritt gut gelaunt und voller Tatendrang in die Pedale, ich
dagegen eher noch mechanisch im Dämmerzustand - aber die ersten
30 Kilometer dieser Tagesetappe kennen unsere Velos ja eh in- und
auswendig, wir radeln der Glatt entlang Richtung Rhein und da geht's
hauptsächlich flach dahin. Der Wind ist inzwischen zu einer
steifen Brise angewachsen und schiebt von hinten und spielt mit
den Ähren der Getreidefelder. Es ist ein Seerosenmorgen, mit
Grillengezirp und Froschgequake - und das in der Zürcher Agglomeration!
Leicht
wiegt unser Gepäck diesmal. Gewogen haben wir es zwar nicht,
aber es kommt uns fast minimalistisch vor, als ob wir noch nie mit
so wenig zusätzlichen Kilos unterwegs gewesen wären. Wir
haben doch hoffentlich nichts Lebenswichtiges vergessen? Werkzeug,
Unterwäsche, Zahnpasta? Im Gegenteil, ich schleppe sogar noch
unnötigen Ballast mit mir herum: als ich mein Tagebuch aufklappe,
um diese ersten Zeilen zu schreiben, fällt mir eine Diskette
entgegen. Wie die nun da rein kommt und was da wohl drauf ist
keine
Ahnung.
Wir
sind unterwegs, und das alleine zählt. Recht schnell sind wir
am Rhein angelangt, der Wind hat kräftig mitgeholfen. Aber
jetzt, bei Rheinsfelden, biegen wir nach Westen ab und haben von
nun an den Wind gegen uns. Der Katzensprung bis nach Kaiserstuhl
zieht sich ziemlich in die Länge und frisst Energie, aber es
kommt ja bald das Gasthaus "Zum Kreuz" und es ist eh Zeit
für eine erste Pause. Im Lokal schwellen mir dann gleich die
Augen zu - die Gräserpollen fliegen bei dem Wind natürlich
wir verrückt. Ist eben jedes Jahr dasselbe. Diesmal bin ich
neugierig, ob meine neue Methode gegen die Pollenallergie Wirkung
zeigen wird: Brennesseltee! Seit ein paar Wochen trinke ich regelmässig
von diesem Zeug und hab mich inzwischen so an den etwas rauchigen
Geschmack gewöhnt, dass ich ihn nun mittlerweile sogar recht
gerne mag. Aber im Augenblick jedenfalls sitze ich (noch) mit rot
unterlaufenen Augen in der Gaststube und schnäuze, was das
Zeug hält, mache mich recht griesgrämig über meinen
garnierten Wurstsalat her und lese anschliessend beim Kaffeetrinken
das auf der Zuckertüte aufgedruckte Zitat: "Nassen Sommer
kann auch der Herbst nicht trocknen". Was bitte kann einem
angesichts von soviel Optimismus noch einfallen?
So,
jetzt aber Schluss damit! Wir sind in den Ferien und ich habe mich
lange genug auf diese Reise gefreut! Langsam taucht mein schlafendes
Ich aus der Versenkung auf und ich komme allmählich wieder
auf den Damm. Wir gleiten nach der Pause in Kaiserstuhl die steile
Altstadtgasse hinunter zum Rhein, rollen auf der Brücke hinüber
zur deutschen Seite und jenseits des Flusses dann schräg den
Hang hinauf bis zu einer Kreuzung. Dort biegen wir links in den
asphaltierten Radweg ein und es geht nun leicht und flott neben
der Landstrasse dahin. Hier gibt's auch eine Beschilderung, wir
sind jetzt also auf dem Rheintalradweg unterwegs. Auch recht. Hier
tut sich auf den nächsten Kilometern eine recht sehenswerte
Flusslandschaft auf, die Fahrt ist wirklich um eine Spur naturnaher
als drüben auf der schweizer Seite, wo wir ja schon ein paar
Mal entlang geradelt sind. Man kann prima dahin gleiten, ist ab
und zu mal mit ein paar abzuleistenden und geschenkten Höhenmetern
konfrontiert, aber der vorwiegende Eindruck ist der einer gut befahrbaren
Radroute. Mal abgesehen vom Gegenwind, versteht sich! Schöner
Talabschnitt hier... wirklich! Manchmal tröpfelt es jetzt vom
gänzlich bedeckten Himmel, aber lange noch kein Grund, die
Regensachen anzuziehen. Während der nächsten 20 Kilometer
radeln wir uns müde und peilen Waldshut-Tiengen als mögliches
Etappenziel an. Wir queren die Wutach und stolpern fast über
ein Hinweisschild: "Hotel Bercher, Bett&Bike, Tiengen,
2 km". Nun gut. Handy eingeschaltet, die angegebene Telefon-Nummer
gewählt und die Verfügbarkeit eines Zimmers angefragt.
Alles klar, wir werden heute in Tiengen übernachten.
Die
Pollen haben mich nachmittags dann übrigens in Ruhe gelassen
und soviel sei jetzt schon mitgeteilt: auf dieser Reise komme ich
diesbezüglich so glimpflich davon wie lange nicht mehr! Vielleicht
liegt's ja wirklich an der Wirkung der blutreinigenden Brennessel
(ich hab meine Tee-Kur auf der ganzen Reise fortgesetzt)? Vielleicht
entwächst man beim Älterwerden auch einer Allergie, so
ähnlich, wie man in sie "hineinwächst" - ich
war bis zu meinem 32. Lebensjahr allergiefrei, erst dann ist die
Pollenallergie aufgetreten.
Nach
der Siesta am Nachmittag machen wir das Städtchen unsicher.
Tiengen ist nicht unsympathisch, es gibt genug intakte alte Bausubstanz
und einige Bausünden aus jüngerer Vergangenheit, reichlich
Touristisches und natürlich auch ein paar idyllische Fleckchen.
Später landen wir dann in einem griechischen Restaurant bei
Gyros und Retsina und Ouzo, was bei mir ein sentimentale Erinnerungen
an meine Münchner Jahre hervorruft, an all die Gelage mit den
alten Freunden in meinen beiden griechischen Stammlokalen "Dimitri"
und "Paros". In der Schweiz besuchen wir so gut wie nie
griechische Restaurants - sie sind auch nicht so häufig vertreten
(und preisgünstig) wie in Deutschland. Später erwischen
wir noch einen Wetterbericht, der uns alles andere als Mut macht:
nach einem kurzen Zwischenhoch soll es nächste Woche sehr kalt
werden und regnerisch bleiben
igitt
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Freitag,
26.5.06. Von Tiengen nach Rheinfelden (55 km)
Angesichts der trüben Vorhersage sieht das Wetter heute morgen
gar nicht mal so schlecht aus. Nachts scheint es zwar geregnet zu
haben, wie man an den Pfützen im Hof erkennen kann, doch im
Augenblick ist es trocken und der Himmel zeigt sogar ein paar blaue
Löcher in der Wolkendecke und die Sonne kommt ab und zu mal
durch. Was will man mehr? Wir rollen auf der verkehrsreichen Ausfallstrasse
aus der Stadt. Zwischen Waldshut-Tiengen und Koblenz ist mächtig
was los, die grosse B34 läuft durch, es gibt regen Transitverkehr
mit der Schweiz und viel Treiben entlang des Rheintales. Wir sind
froh, als wir endlich diesen Verkehrsknotenpunkt hinter uns lassen
können und es wieder ruhiger wird. Wir können auf verkehrsarmen
Wegen dahinradeln und kommen nur ab und zu mal punktuell mit der
Bundesstrasse in Berührung. Vor Albbruck führt die Route
auf eine langgezogene Insel zwischen dem Rhein und einer Schleuse
und hier ist man allein mit dem ausgedehnten Auwald und dem Vogelgezwitscher
und den paar wenigen Spaziergängern und Joggern. Schwarz- und
Rotmilane teilen sich hier das Revier und an Reihern herrscht kein
Mangel. Wir nähern uns Laufenburg, können das Stadtpanorama
schon aus der Ferne bewundern, wobei die Sonne langsam die Oberhand
über die Wolken gewinnt. In Laufenburg sitzen wir vor einem
Café in der Sonne und es ist warm genug, die Hosenbeine hoch
zu krempeln und die Windjacke auszuziehen.
Das
nächste runde Dutzend Kilometer bis Bad Säckingen läuft
total gut. Der Westwind ist zwar immer noch stark und böig,
aber da wir von Buschwerk und Bäumen abgeschirmt werden, lässt
sich ganz gut damit leben. In Bad Säckingen gibt's nochmals
ein Päuschen, der grosse Platz vor dem Fridolinmünster
mit den Strassencafés und Restaurants ist einfach prädestiniert
dafür, man muss nur aufpassen, dass es einem die Kaffeetasse
nicht vom Tisch weht. Freilich haben die Trauergäste der Beerdigungszeremonie,
die nebenan im Münster stattfindet, ganz andere Sorgen und
Gedanken und gehen durch ganz andere Gemütszustände hindurch.
Aber das kennen wir ja aus eigener Erfahrung .
Eigentlich
sind wir schon wieder müde, obwohl es erst Mittag ist und der
Tacho kaum 35 Kilometer anzeigt. Trotzdem haben wir noch Lust weiterzuradeln
und beschliessen, die nächsten 20 Kilometer bis Rheinfelden
auf jeden Fall noch in Angriff zu nehmen und eventuell dort ein
Zimmer zu suchen. Die Streckenführung bleibt auch weiterhin
recht gut, es geht fast immer in Flussnähe dahin und es ist
weitestgehend flach. Die B34 hört man kaum, nur manchmal kommt
man ihr etwas näher. Wir machen nochmals eine kurze Rast an
einem Naturschutzgebiet direkt am Rhein, mit viel Schilf und Weiden
und Schwänen mit Jungtieren. Leider überzieht sich der
Himmel jetzt doch wieder mit einen dichten Bewölkung und die
Sonne sendet nur mehr ab und zu mal ein paar Strahlen zu uns herunter
(Ich rede in diesem Reisebericht viel über's Wetter, stelle
ich grad beim Durchlesen fest - aber auf dieser Reise war das einfach
das vorherrschende Thema).
Manchmal
hab ich auf Radreisen ganz abstruse Ideen. Heute kommt mir zum Beispiel
in den Sinn, dass ich mal wieder "Leben auf dem Mississippi"
von Mark Twain lesen möchte, und das Album "Arc of a Diver"
von Steve Winwood hören. Solches und ähnliches Zeugs spinnt
mir im Kopf herum, wenn ich mit dem Rad unterwegs bin und die Gedanken
auf Wanderschaft gehen. Aber das nur nebenbei.
Wieder
zurück zum Thema: es reicht für heute! Auf der Zielgeraden,
wir radeln grad an Schloss Beuggen vorbei, fängt es jetzt zu
regnen an und in Rheinfelden selber ist rush hour. Da die Brücke
über den Fluss teilweise gesperrt ist, stauen sich die Autos
auf der Hauptstrasse und es ist allerhand los. Meine Erwartung,
hier auf der deutschen Seite eine ähnlich sehenswerte Altstadt
vorzufinden, wie es auf der schweizer Seite der Fall ist, erfüllt
sich leider nicht. Trotzdem gibt es eine kleine Fussgängerzone,
in der wir zwei Polizisten nach einem Hotel fragen, denn irgendwie
haben wir im Verkehrsgewusel die Hinweisschilder verloren. Die beiden
geben schön höflich Auskunft und bald sind wir etwas klüger.
Nach einer abwechslungsreichen Tagestour ziehen wir im Hotel "Garni
Oberrhein" ein und haben dabei auch noch Glück, weil gerade
vor uns eine Reisegruppe alle Zimmer bis auf eines belegt hat. Aber
ein bisschen Glück gehört eben auch dazu!
Auf
dem Zimmer gibt's einen Wasserkocher. Fein - Brennesseltee lässt
grüssen! Und in der Glotze sehen wir die 19. Etappe des Giro
d'Italia. Und den Wetterbericht, der auch heute nichts anderes sagt,
als gestern auch schon: Anfang nächster Woche wird uns ein
Polartief erreichen, mit Schneefallgrenzen bis unter 1000 Meter,
und der vorherrschende Südwestwind wird fast Sturmstärke
erreichen. Stellt sich die Frage, was wir nun tun... Morgen, wenn
wir durch Basel hindurch sind, werden wir ja für ein Weilchen
Richtung Südwesten den Doubs entlang unterwegs sein - also
genau gegen den Wind - bis wir schlussendlich dann jenseits der
Vogesen nach Norden schwenken können. Sollen wir unsere Reise
denn nochmals umplanen? Direkt nach Basel an den Bahnhof fahren
und den nächsten Zug nach Südfrankreich nehmen? Wir entscheiden
uns für ein Ausweichmanöver: anstatt die Vogesen westlich
zu umfahren, werden wir hinter Basel direkt nach Norden schwenken
und die Oberrheinische Tiefebene entlang radeln. Bei Saverne könnten
wir auf dem Treidelpfad neben dem Rhein-Marne-Kanal die Vogesen
queren und dann westwärts zwischen Nancy und Metz hindurch
irgendwann auch die Meuse erreichen. Und vielleicht hat sich ja
der Wind bis dahin wieder beruhigt, wenn wir dort oben dann von
Nord nach West schwenken.
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Samstag,
27.5.06. Von Rheinfelden bis Biesheim (79 km)
In
der Nacht hat es geregnet. Die Strassen sind nass und die Wolken
ziehen tief, aber am morgen gibt der Himmel Ruhe. Prima. Als wir
die Räder dann aus der Tiefgarage schieben, fängt es erneut
zu regnen an. Mist. Zu früh gefreut. Wunderbarerweise hört
die Dusche jedoch nach ein paar Minuten wieder auf und wir können
erstmal aufatmen. Wir folgen weiter rechtsrheinisch dem Rheintalradweg.
Aus früheren Erfahrungen wissen wir, dass der Radweg auf der
anderen Flussseite schon ab Augst nur mehr durch Industrie- und
Gewerbegebiete führt, aber hier herüben kann man bis etwa
Grenznach so halbwegs naturnah dahin radeln. Im Übrigen hat
sich bestätigt, dass die deutsche Seite auf dem Abschnitt von
Kaiserstuhl bis Basel die ansprechendere Alternative gegenüber
der Routenführung auf dem anderen Rheinufer darstellt, obwohl
man auch hier nicht gänzlich um Berührungspunkte mit den
grossen Verkehrsachsen herum kommt. Dazu ist das Flusstal einfach
zu eng.
Kleinbasel,
die Grenze, Eintauchen in den Stadtverkehr. Für Samstag Vormittag
ist es erstaunlich ruhig. Provianteinkauf im Supermarkt. Auf einer
steinernen Brücke queren wir den Fluss und suchen uns einen
Weg durch Basel hindurch. Eine Radroute nach Hunningue, einem Vorort
auf der französischen Seite, ist ausgeschildert und von dort
gibt's auch eine "Piste cyclable" entlang des Canals du
Rhône au Rhin, die wir früher schon mal gefahren sind.
Es ist - oh Wunder! - immer noch trocken. Die Bewölkung lockert
sogar etwas auf und der ein oder andere Sonnenstrahl dringt durch.
Die Wolken ziehen sehr schnell und alle paar Minuten wechselt die
Szenerie, so wie man es im April oft erleben kann. Um die Mittagszeit
machen wir Picknick an einem Rastplatz am Kanal. Man merkt schon
ganz deutlich, dass wir uns nun in Frankreich befinden, denn es
gibt Rastplätze an allen Ecken und Enden, die Franzosen picknicken
eben recht gerne.
Wie
weit fahren wir heute wohl? Jetzt kommt unsere Wunderwaffe für
Frankreich das erste Mal zum Einsatz, und die heisst: "Logis
de France"! Logis
de France ist ein Verbund von Standard- und Mittelklasse-Hotels
in ganz Frankreich. Es gibt ein Verzeichnis davon im Taschenbuch-Format
und so eines haben wir dabei und anhand dieses Kataloges suchen
wir uns nun unser Etappenziel aus. Also, wie weit heute noch? Bis
Neuf-Brisach? Das wären dann etwa 80 Kilometer. Das liegt im
Prinzip nicht jenseits des Machbaren und es rollt grad recht gut
und der Wind schiebt wirklich gewaltig. Und ein Zimmer hätten
sie dort in Biesheim bei Neuf-Brisach auch noch für uns bereit,
im Gasthof "Aux deux Clefs". Also los.
Bis
Kembs geht es weiterhin schnurstracks den Kanal entlang. Das ist
gutes Gleiten, da macht man Kilometer, auch wenn es nach ein paar
Minuten langweilig wird und sich das Auge nach Abwechslung sehnt.
Viel Leute sind heute nicht unterwegs. Einmal fährt ein Herr
mit Gehbehinderung auf seinem Rollstuhl voraus, und zwar so schnell,
dass wir ihm in unserem gemütlichen Reisetrott hinterher zockeln,
ohne ihn einzuholen. Dann prescht ein Pulk Herren im gesetzten Alter
an uns vorbei, Typ "Kegelclub unternimmt einmal im Jahr eine
Radltour". In Kembs rollt man dann an Yachthafen samt Restaurant
vorbei. Zwei Schwäne führen mitten im Yachthafen ihren
Hochzeitstanz auf und drehen sich um sich selber, das Gefieder geplustert
und abgespreizt.
Dann
wählen wir die Landstrasse, radeln vorher bei Niffer noch über
die Schleuse und befinden uns gleich auf der D468, die direkt nach
Norden führt. Der Verkehr ist halbwegs akzeptabel und jetzt
erst, als wir aus dem Vegetationsgürtel des Kanals heraus sind
und uns auf freiem Feld befinden, spüren wir die volle Kraft
des Windes. Aber Hallo! Doch die Sonne scheint. Rechts, über
den Höhen des Schwarzwaldes, geht Wolkenbruch über Wolkenbruch
nieder. Links über den Vogesen dasselbe. Wir haben Glück
und bleiben verschont. Nach Bantzenheim gibt es streckenweise einen
Radweg neben der Strasse und so geht die wilde Jagd Kilometer um
Kilometer dahin.
Als
wir endlich in Neuf-Brisach ankommen, sind wir zu müde, um
das Stadtbild noch ausgiebig zu würdigen, wir nehmen nur mehr
schemenhaft die alten Befestigungsmauern und das geschlossene Stadtbild
wahr und konzentrieren uns auf die Strassenführung, damit wir
die Abzweigung nach Biesheim nicht verpassen. Kurz nach vier checken
wir in dem netten Landgasthof ein. Es ist noch warm genug, um vor
dem Abendessen im Garten zu sitzen und die Tageserlebnisse aufzuschreiben
und die Gruppe Zürcher Jägersleut' zu beäugen, die
wohl im nahe gelegenen Forêt de Harth auf Hoch- und Niederwild
ansitzen. Waidmann's Heil!
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Sonntag,
28.5.06. Von Biesheim bis Sand (50 km)
Heute
ist Schluss mit lustig! Jetzt erwischt es uns also doch noch! Man
hofft ja immer, der Kelch möge an einem vorübergehen und
wie durch ein Wunder eine Schönwetterinsel genau dort sein,
wo man sich selber aufzuhalten gedenkt... Nichts da: am Morgen ist
volle Montur angesagt, von den Gamaschen über die Regenhose
bis zur Kapuze. Der Schwarzwald ist so gut wie unsichtbar und hinter
tief ziehenden Wolken verborgen, von den Vogesen kann man dasselbe
berichten. Über die ersten paar Kilometer Wegstrecke dieses
Tages können wir uns trotzdem nicht beklagen, der Niederschlag
ist noch eher als Nieselregen zu bezeichnen, von Zeit zu Zeit gibt
es sogar eine kurze Regenpause. Es ist mild und die Natur atmet
und es duftet gut und eigentlich ist alles ja gar nicht so schlimm.
Irgendwo
zwischen Jebsheim und Ohnenheim findet auf einem Sportplatz gerade
ein Fussballspiel (Altherrenriege) statt und ziemlich genau dort
geht dann auch der erste Platzregen nieder. Das ist auch für
die Fussballer alles andere als angenehm. Wir stellen uns erstmal
unter und lassen das Schlimmste vorüberziehen, wobei es eigentlich
egal ist, denn durchnässt sind wir eh schon. Ich weiss nicht,
ob ich nochmals diese sündhaft teuren Goretex-Klamotten kaufen
würde, die nach viel zu kurzer Zeit dann doch das Wasser durchlassen!
Als
diese Bö vorüber ist, hellt es sich jedoch generell etwas
auf und im Norden, da wo wir hin wollen, zeigt sich sogar ein heller
Streif am Horizont
sollte
am Ende gar
die Sonne?
Dabei wären wir gar nicht so vermessen, dass wir auf Sonnenschein
bestünden - wenn die Wolken ihr Nass ein Weilchen für
sich behalten, sind wir bereits zufrieden. Zumal man jetzt wieder
ab und zu eine sehenswerte Kulisse gezeigt bekommt: die Vogesen
tauchen zwischen den Wolken auf.
Auf
unserer Strasse reiht sich im Abstand von ein paar Kilometern immer
Dörfchen an Dörfchen. Alle zeigen viel Fachwerk, vieles
ist frisch restauriert und bunt verputzt. Es gibt natürlich,
schliesslich sind wir in Frankreich, auch noch viel altes Gemäuer.
Im Ort Muttersholtz gibt's wohl bald Mutterstolz, der Hochzeitsgesellschaft
vor der Kirche nach zu beurteilen. Ein kleines Strässchen bringt
uns nach Huttenheim, wo am Ortseingang eine Gruppe fahrendes Volk
kampiert und wir die Ill queren.
Eine
halbe Stunde später finden wir Unterkunft im Ort Sand und zwar
im "La
Charrue", einem rustikalen Landgasthof mit sehr freundlicher
Betreiberfamilie und - wie wir später feststellen werden -
dem bisher besten kulinarischen Angebot. Und spät am Nachmittag,
man möcht's nicht glauben, kommt sogar doch noch die Sonne
heraus!
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Montag,
29.5.06. Von Sand bis Molsheim (36 km)
Dafür
gibt's heute wirklich keine Gnade. Wir hoffen zwar noch, dass der
Wettergott ein Einsehen hat und uns nach dem Vormittagsregen wieder
eine trockene Periode bescheren wird, wie es gestern der Fall war.
Keine Chance. Es fängt zwar noch recht harmlos an, als wir
nach dem Frühstück aus dem "La Charrue" rollen,
nach ein paar Minuten verdichtet sich der Nieselregen indes zu einem
dichten Landregen. Wie heisst es so treffend? Es regnet Bindfäden?
Genau! So sieht's heute aus.
Strassbourg
liegt vor uns. Da wir auf Grossstadtverkehr gut und gerne verzichten
können und wollen, müssen wir irgendwie links an der Stadt
vorbei finden. In Erstein wird erstmal noch Proviant erstanden,
nach Nordhouse geht's dann über die Autobahn, und in Hindisheim
steht ein Denkmal, auf dem die verschiedenen Ortsnamen eingemeisselt
sind, die das Städtchen bei wechselnder Besetzung/Besatzung
trug - mal deutsch und mal französisch, immer schön abwechselnd.
Dann
geht die Chose richtig los: Platzregen! Auf der sich endlos hinziehenden
Geraden nach Krautergersheim, es ist die D207, sieht man die Hand
vor Augen nicht mehr, besonders wenn die Brummis überholen
und einen auch noch mit der Spritzwassergischt eindecken - nicht
gerade Bikers Delight. Es hat wohl nicht mal 10 Grad Celsius und
der eigentliche Schwachpunkt sind unsere Handschuhe, die haben sich
schnell vollgesogen, und die Hände sind kalt und klamm geworden.
Von der Landschaft beibt nur ein allgemeiner grün-grau-nasser
Eindruck, also bleibt auch die Kamera in der Tasche.
Eine
Weile halten wir noch durch, aber in Duttlenheim reicht's uns dann
endgültig und wir telefonieren nach Molsheim, wo in unserem
Verzeichnis eine Hostellerie aufgeführt ist, ob man dort noch
ein Zimmer für uns hat. Man hat. Also radeln wir schnurstracks
nach Molsheim, wobei uns leider die Orte Osthoffen, Hurtigheim und
Handschuheim entgehen und wir auch noch mit recht viel LKW-Verkehr
konfrontiert sind, aber dafür sind wir mittags um zwölf,
nach fast drei Stunden Regenfahrt, endlich im Warmen und können
unser Sieben Zwetschgen im leider nur handtuchgrossen und abgewohnten
Zimmer des "Hotel du Centre" zum Trocknen aufhängen.
Als
wir später, nach der Siesta, das Städtchen erkundigen,
kommt doch noch die Sonne heraus und es stellt sich wieder Aprilwetter
ein: Sonnenschein und Platzregen im schnellen Wechsel. Molsheim
ist eigentlich recht schmuck. Auf dem Marktplatz dreht sich ein
Kinderkarussel (bei recht sparsamen Andrang, wie man sich angesichts
der Witterungsbedingungen denken kann).
In
der Jesuitenkirche wird frühjahrsgeputzt. Ein paar Senioren
männlichen Geschlechts säubern und reinigen das Kircheninnere,
mit der nervösen Ungeschicklichkeit, mit der Männer, die
sonst nie mit einem Putzeimer, Staublappen oder Staubsauger in Berührung
kommen, sich eben nun einer derartigen Beschäftigung widmen.
Sieht aus, als ob zum Beispiel der "Schnupftabak-Club Molsheim
e.V." eine gemeinsame Busse tun müsste. Das Ganze mindert
zwar den Kulturgenuss, das heisst, von einer Besichtigung der Kirche
kann man getrost absehen, aber dafür ziehen wir amüsiert
unseres Weges - so etwas sieht man schliesslich auch nicht alle
Tage.
Später
landen wir noch in einer Pizzeria und beratschlagen, ob wir uns
nochmals das frustrierende Erlebnis eines Wetterberichts antun oder
ob wir lieber desinformiert ins Bett gehen. Wir müssen's ja
eh nehmen, wie's kommt. Ersteres - weil neugierig sind wir ja schon
und
so wie's aussieht, werden wir um Pfingsten besseres Wetter haben,
bis dahin gilt es jedoch noch eine Durststrecke zu überwinden.
Naja, wir hätten es ja auch noch schlechter erwischen können
- in unserer Breiten erlebt man durchaus schon mal zwei Wochen Dauerregen
am Stück
also immer schön zufrieden bleiben!
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Dienstag,
30.5.06. Von Molsheim bis Saverne (34 km)
Man
glaubt es kaum: heute morgen liegt der Molsheimer Marktplatz im
Sonnenlicht vor uns! Dafür ist es recht kalt, fühlt sich
irgendwie an wie Anfang März, so über den Daumen gepeilt.
Es hilft nichts, wir brauchen wieder die komplette Regengarnitur,
diesmal jedoch, um uns gegen die Kälte zu schützen.
Gestern
habe ich in der Touristeninformation entdeckt, dass es von Molsheim
bis Saverne eine ausgeschilderte Radroute gibt, teilweise ist sogar
eine Trasse extra für Radler angelegt worden, wie man es von
den Fernradwegen in Deutschland her kennt. Das werden wir heute
mal austesten. Im Prinzip folgt man hier dem Flüsschen Mossig.
Also raus aus dem Stadtverkehr und rein in die ruhige Welt jenseits
des Strassenlärms. Die ganze Sonnenscheinherrlichkeit ist leider
schnell wieder vorbei und die ersten Regentropfen prasseln bald
auf unsere über Nacht abgetrockneten Klamotten. Die Wolken
ziehen wenigstens nicht ganz so tief wie gestern und geben den Blick
auf die Landschaft frei.
Die
Gegend hier in Gebirgsnähe ist weitaus interessanter als weiter
östlich in der flachen Rhein-Ebene. Wir radeln im Tal der (oder
des) Mossig entlang und kommen den ersten Hügeln oder Ausläufern
der Vogesen recht nahe. Bis Marlenheim können wir angenehm
auf einem Asphaltweg abseits jeglichen Autoverkehrs radeln. In Marlenheim
wird an eben diesem Weg gebaut, es gibt viel Baustellenverkehr,
Bagger, Lastwagen, etc. und natürlich findet man da keine Ausschilderung
mehr. Auf der Landkarte sind die Ortsnamen nicht exakt den eingezeichneten
Häuseransammlungen zuzuweisen und so radeln wir eben ein wenig
in die Irre, strampeln für ein Weilchen versehentlich den Hang
hinauf, um nur ja nicht auf die viel befahrene Route Nationale im
Talgrund zu geraten. Schliesslich finden wir aber doch wieder zu
unserer Strecke zurück, die uns nun durch einen Taleinschnitt
nach Wasselonne führt. Bei Brechlingen bricht der Veloweg weg
und man schickt uns auf kleinen Strässlein über die Dörfer.
Das
wird jetzt aber hügelig! Zwischen Allenwiller und Salenthal
haben wir kräftigen Gegensturm mit Graupelschauer. Aber während
wir nach Salenthal eine Anhöhe hinaufschnaufen, vertreibt der
Wind die Wolken innerhalb kürzester Zeit und bald haben wir
einen grandiosen Blick auf die Wälder der Vogesen links von
uns und einen Panoramablick auf das Rheintal rechts voraus. Irgendwo
da unten sieht man auch die grosse Kirche bzw. Kathedrale von Marmoutier.
Also
runtergerollt bei Sonnenschein und dann aufwärts und wieder
abwärts und wieder aufwärts und nochmals hinab bis nach
Saverne, wo uns die letzte "öffentliche Dusche" dieses
Tages erwischt. Auch wenn ich mich wiederhole: heute herrscht Aprilwetter
mit Märztemperaturen - und das Ende Mai!
In
Saverne kommen wir nicht unfeudal unter im Hotel "Chez
Jean et Winstub s'Rosestiebel". Hier haben wir wieder ein
geräumigeres Zimmer zur Verfügung, in dem die trocknenden
Regensachen nicht den gesamten Raum dominieren. Saverne gefällt
uns recht gut. Es zeigt sich uns als geschäftiges Städtchen
mit eindrucksvoller Kirche und historischen Gebäuden, und der
Canal de la Marne au Rhin, dem wir morgen folgen werden, fliesst
hier durch und auf einem Sockel thront ein Einhorn.
Abends,
im "Winstub s'Rosestiebel" kommen wir auf die Idee, doch
noch etwas von der typisch Elsässer Küche zu probieren,
da wir das Elsass doch bald verlassen und in Lothringen sein werden
und das hier vielleicht die letzte Gelegenheit dafür ist. Elsass
= Choucrout. Und da ich als gebürtiger Oberpfälzer gewissermassen
mit Sauerkraut gross geworden bin, bietet es sich doch geradezu
an, hier mal das Elsässer Sauerkraut zu testen. Nun denn, Margrit
bestellt Sauerkraut auf typisch Elsässer Art und ich versuch's
mal mit der vorgeschlagenen Kombination von Sauerkraut mit Fisch.
Und während Margrit fast eine halbe Schlachtschüssel serviert
bekommt und der Teller unter der geballten Ladung von Fleisch und
Wurstwaren zusammenbricht, findet man auf meinem Teller diverse
gebratene Fischsorten um einen Berg Kraut drapiert. Naja, für
meinen Gaumen ergänzen sich Fisch und Sauerkraut irgendwie
nicht so recht, da bin ich wohl zu sehr vorgeprägt. So bleibt
dieses Abendmahl das einzige zwiespältige auf unserer Reise,
was aber nicht an der Qualität der Küche liegt, sondern
an uns selber. Immerhin driften wir während des Essens in ein
Gespräch über die Kartoffel als solches ab und tauschen
uns über Zubereitungsarten aus, die wir aus unserer Kindheit
kennen. Da bietet sich ein Vergleich schweizerischer und ostbayerischer
Gepflogenheiten ja geradezu an
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Mittwoch,
31.5.06. Von Saverne bis Mittersheim (46 km)
Die
schlechte Nachricht: es ist immer noch saukalt - vom Gegenwind gar
nicht zu reden! Die gute: es wird den ganzen Tag über trocken
bleiben und in den kurzen Phasen, in denen sich die Sonne zeigt,
ist es so, als ob jemand das Licht eingeschaltet und die Heizung
aufgedreht hätte.
Wir
sehen heute unter anderem eine Katze, die wirkt, als wäre sie
auf Droge, als sie auf der Strasse vor uns hin und her schwankt
und gar nicht recht davonlaufen kann. Äusserlich verletzt scheint
sie jedoch nicht zu sein. Ein Reh duckt sich in das hohe Gras einer
Auwiese, als wir vorbei rollen und der Anblick von Rotschwänzchen
und Stieglitzen, Bachstelzen, Milanen und Reihern begleitet uns
den ganzen Tag. Die Störche waren gestern schon, wenn ich mich
recht entsinne - ich weiss es nicht mehr genau, denn die Tage gehen
nun übergangslos ineinander über. Es ist, wie immer, jeden
Tag dasselbe Ritual: aufstehen, frühstücken, packen, aufrüsten,
losfahren, müde werden, Hotel suchen, einchecken, Siesta machen,
den Tag mit einem Abendessen ausklingen lassen.
Heute
vertrauen wir uns zuerst dem Treidelpfad entlang des Canal de la
Marne au Rhin an, der uns bis Lutzelbourg steigungsfrei quer durch
die Vogesen führt. Schleusen und Freizeitkapitäne, viel
Hallo und Winkewinke. Später dann auf der D98 ein kleines,
enges, bewaldetes Tal nach Arzviller. Hier hat man für den
Kanal einen langen Tunnel in den Fels gesprengt und nebenan in St.
Louis gibt's wohl ein grosses Schiffshebewerk, das allerdings nicht
auf unserer Strecke liegt.
In Hommarting sehen sie wohl selten Radler mit Gepäck und noch
seltener jemanden mit einem Liegerad vorbeikommen, jedenfalls hier
dasselbe wie in all den anderen kleinen Dörfern und Städtchen
auf dieser Reise: Neugier, freundliche Aufmerksamkeit und viele
"Bon courage!"-Zurufe. Die Franzosen sind ein höfliches
und freundliches Volk! Übrigens auch im Strassenverkehr: sie
sind zwar meist recht rasant unterwegs, überholen aber mit
grossen Seitenabstand und sind recht geduldig (es sei denn man ist
auf der Route Nationale unterwegs). Ausserdem können sie noch
blinken! Hier bei uns in der Schweiz hat man nämlich intern
beschlossen, allmählich die Blinker an den Autos abzuschaffen
- man sieht immer mehr Fahrzeughalter, die das Ein- und Abbiegen,
das Ein- und Ausparken und sonstige Richtungsänderungen elegant
und nachhaltig ohne zu blinken vollziehen und auf die telepathische
Übermittlung ihrer Absicht vertrauen. Nur dumm, wenn man als
Verkehrsteilnehmer nicht auf derselben Frequenz ist...
Hügel
auf geht es dahin und Hügel ab. Die Landschaft verändert
sich allmählich, die Vogesen bleiben zurück und ein welliges
Land breitet sich vor uns aus. Immer wieder steigen wir vom Talgrund
hinauf auf die Hochfläche und bekomme einen weiten Panoramablick
für unsere Anstrengungen geschenkt. Oftmals sind die Ortschaften
in den Hang hinein gebaut und wir strampeln innerorts nach oben.
In
Fénétrange kann man ein Schloss sehen und wir kreuzen
die Sarre. Und in Mittersheim reicht's uns für heute - wir
sind beide durchgefroren. Es gibt einen See, der wohl zur Saison
recht viele Naherholer anzieht - dem grossen Campingplatz und den
verschlossenen Ferienhäuser nach zu schliessen - und ebenfalls
einen Kanal, den Canal des Houillères, der wohl zum Kanalsystem
gehört, das Saar und Marne miteinander verbindet. Unser Hotel,
das "L'Escale", ist zwar ein unscheinbarer 70er Jahre-Betonkasten,
verfügt aber über einen sehr schön dekorierten Speisesaal
(wir werden gut speisen) mit grossen Panoramafenstern zum See und
hätte eigentlich auch einen ausdehnten und gepflegten Garten
- aber bei diesen Temperaturen lässt sich das einfach nicht
recht geniessen. Schade.
Ach ja: seit heute sind wir übrigens in Lothringen!
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Donnerstag,
1.6.06. Von Mittersheim bis Delme (52 km)
Der
Gegenwind zermürbt halt schon auf Dauer. Die Kälte auch.
Besonders wenn man nicht so ganz total unentwegt ist und man bei
erwünschter Naturnähe nicht automatisch an Expedtionsverhältnisse
denkt. Unser neuester Trick: zwei Paar Jogginghosen übereinander
(wir sind beide ohne gepolsterte Velohosen unterwegs) und zwei Paar
Socken anziehen! Schwachpunkt sind nach wie vor die Handschuhe -
wir haben beide "nur" Handschuhe für den Sommer dabei
- und die Kopfbedeckung. Immerhin wird es heute tagsüber trocken
bleiben, bis auf einen Graupelschauer am späten Vormittag,
der uns aber dann im wahrsten Sinne des Wortes eiskalt erwischen
wird.
In
Mittersheim findet sich ein Supermarkt auf der Durchgangsstrasse
und es ist natürlich erste Pflicht, am Morgen unseren Vorrat
an Lebensmitteln aufzufüllen. Wir befinden uns die ganze Reise
über auf dem platten Land und in den kleineren Orten findet
sich oft nicht mal mehr ein Bäcker - von einem Lebensmittelgeschäft
ganz zu schweigen. Also: Gelegenheiten wahrnehmen!
Nachher
überqueren wir zuerst den Canal des Houillères und teilen
uns acht Kilometer lang die kerzengerade D38 mit ein paar LKWs und
Lieferwägen, aber der Verkehr ist nicht der Rede wert und stört
auch nicht sonderlich. Bei Cutting biegen wir rechts in die D27
ein, folgen ihr bis Bassing. Und jetzt geht es die kleine D28 entlang
nach Westen, wir rollen durch Bauerndörfer wie etwa Bourgaltroff
und Guébling. Jede Ansiedlung besitzt eine kleine Kirche,
die recht trutzig und gedrungen wirkt, und meistens verschwindet
alles hinter Buschwerk und Hecken und Laubbäumen.
Wir
haben eine Hügelkette zu überwinden und eine Weile lang
pusten wir die Serpentinen bergauf. Das geht aber ganz gut und hier
lässt uns der Wind in Ruhe, denn wir sind von Wald mit dichtem
Unterholz umgeben. Immer wieder tut sich eine Lücke in der
Vegetation auf und wir haben einen wunderbaren Blick auf die Landschaft,
während wir uns langsam höher schrauben. Oben angekommen
erstmal eine Picknickpause. Unsere kleine D28 leitet uns anschliessend
neben einem kleinen Rinnsaal talabwärts, zuerst noch durch
den Wald, dann aber bald auf's freie Feld hinaus. Hier bläst
es natürlich wieder wie verrückt. Schade! Die ganze Gegend
hier lässt sich so wunderbar beradeln und die Landschaft ist
so schön, aber wir verweichlichte Stadtmenschen hadern mit
den Witterungsbedingungen.
Châteaux-Salins.
Von hier an müssen wir nun ein paar Kilometer die grosse D995
entlang, die in der Landkarte dick und rot wie eine Route Nationale
eingezeichnet ist. Dummerweise geht's auch noch steil den Berg hinan.
Also: kleinstes Kettenblatt, grösstes Ritzel und auf unempfindlich
schalten, wenn die LKWs vorbeibrummen. Es ist jedoch halb so schlimm.
Zwar müssen wir von 210 auf 324 Höhenmeter hinauf und
es ist stellenweise so steil, dass sogar Margrit absteigen und schieben
muss, aber die Strasse verfügt bergauf über zwei Spuren
und alle Kraftfahrzeuge wechseln schon von weitem auf die linke
Spur und belästigen uns kaum. So brauchen wir uns also nur
auf das Klettern konzentrieren. Als wir diese Passage hinter uns
gebracht haben, können wir bald in die ruhigere D21 einbiegen,
die über Fresnes-en-Saulnois und Lemoncourt nach Delme führt.
Hier, in Delme, reicht es uns für heute. Im Hotel "à
la XIIeme Borne" bekommen wir gerade noch das letzte Zimmer
- und kaum haben wir eingecheckt, öffnet der Himmel seine Schleusen
und es schüttet, was das Zeug hält.
Seit
Molsheim gefällt es mir landschaftlich sehr gut. Vorher, im
flachen Rheintal, liess es sich zwar leicht und lässig dahinradeln,
es war jedoch auf Dauer auch ein wenig eintönig. Trotzdem empfinden
wir es als gute Entscheidung, erstens schon direkt von der Haustür
aus losgeradelt zu sein und zweitens bei Basel den Schwenk nach
Norden gemacht zu haben. Auf jeden Fall konnten wir uns während
dieser ersten Tage schon mal "warm radeln" und sind jetzt
halbwegs fit und eingespielt für die nun folgende Hügellandschaft.
Ich
bin neugierig auf die kommenden Tage. Wir gleiten langsam auf das
Tal der Meuse zu, auf die Gegend um Verdun und Sedan, wo während
der letzten grossen Kriege, vor allen Dingen 1914-1918, sehr viel
gefochten wurde und Unmengen von Soldaten und Zivilisten im Stellungskrieg
ihr Leben liessen - von der Propaganda der Kriegstreiber im Hintergrund
angestachelt und aufgehetzt. Als Bub mit vielleicht 10 Jahren war
ich das erste Mal hier in der Gegend, es war dies meine erste Berührung
mit Frankreich und meine Erinnerungen daran waren immer recht düster.
Im Gedächtnis sind mir die halb verfallenen und ärmlichen
Orte geblieben, die klaustrophobische Enge im mehrstöckig unterkellerten
Fort de Douaumont und die mistrauischen Blicke der älteren
Generation, die uns Deutsche beobachteten. Ein zweites Mal bin ich
während meiner Studentenzeit mit einem Freund hier durchgekommen.
Wir waren auf den Weg in die Bretagne und wollten uns diese geschichtsträchtige
Gegend hier antun. Damals sind wir mit dem Auto von Jugendherberge
zu Jugendherberge gefahren, aquarellierend und zeichnend und immer
auf der Suche nach dem wahren Frankreich. Ich weiss noch, wie wir
abends in St. Mihiel in der Jugendherberge eincheckten: in der Mitte
des Empfangsraumes residierte eine ältere Dame (so der Typ
gestrenge russische Generalin) hinter einem pompösen Schreibtisch,
musterte uns streng und wies uns in den Schlafsaal ein, der aussah
wie eine Kaserne. Wir waren mit einem anderen Gast, der sich in
eine andere Ecke verzogen hatte, in diesem grossen Saal alleine.
War irgendwie eine sonderbare Atmosphäre. Tags drauf sind wir
dann rauf nach Verdun, haben in den Anhöhen über der Stadt
das Fort und das dazugehörige Museum einschliesslich der monströsen
Kriegsgräberdenkmäler und sonstiger Memorials besichtigt
und waren so bedrückt, dass wir hinterher mit einem Satz bis
zur Normandie durchgebrettert sind. Soweit also meine Erfahrungen
mit dieser Gegend hier - ich bin neugierig, wie sich das alles in
den letzten paar Jahrzehnten entwickelt hat.
Als
wir heute am Spätnachmittag, frisch geduscht und halbwegs aufgewärmt
über den Landkarten brüten, sind wir beide an einem Tiefpunkt
angekommen. Wir "kämpfen" jetzt schon seit Tagen
gegen die Elemente und recht motiviert sind wir im Augenblick nicht
mehr. Und der Regen prasselt schon wieder gegen die Fensterscheiben
und draussen ist es grau in grau. Im Hotel liegt eine Tageszeitung
aus und der kann man immerhin entnehmen, dass sich das Wetter allmählich
bessern soll. Warten wir's ab!
Jedenfalls:
nach dem (vorzüglichen) Abendessen kommt auf einmal die Sonne
raus und der Himmel ist blau, weil der Wind die letzten Wolken vom
Firmament fegt. Da kann man nur staunen! Wir hätten hier sogar
eine Dachterasse zur Verfügung, um den Abend genüsslich
im Freien zu verbringen - wenn es nur nicht so kalt wäre.
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Freitag,
2.6.06. Von Delme bis Heudicourt-sur-les-Côtes (77 km)
Heute
war's - landschaftlich gesehen - einfach nur prima! Dafür ging's
jedoch die meiste Zeit entweder aufwärts oder abwärts,
so richtig flache Passagen fanden sich selten. Eine Oma ruft uns
beim Fensterputzen "Bon Courage!" hinterher, aber das
brauchen wir heute gar nicht, es läuft nämlich gut! Es
ist wärmer geworden. Kapuze und Gamaschen, sogar die Handschuhe
verschwinden bald in der Packtasche. Es gibt so gut wie keine Touristen
hier, Radler haben wir seit Saverne keine mehr gesehen - höchstens
mal einen älteren Rennradfahrer. Und die grüssen in Frankreich
ja immer so freundlich, die Rennradfahrer.
Was
wir am Morgen in der aktuellen Tageszeitung lesen, ist wirklich
Brot für die Seele: endlich Wetterbesserung! Steigende Temperaturen
und allgemein recht gute Aussichten für die nächsten paar
Tage! Endlich! Wie da gleich die Lebensgeister und die Motivation
zurückkehren!
In
Delme natürlich als erste Tat an diesem sonnigen (!) Morgen
Lebensmittel erstanden, schräg gegenüber der Kirche gibt
es einen kleinen Supermarché, aber leider keinen Boulanger.
Dann ein Weilchen auf der gestrigen Strecke zurück bis nach
Lemoncourt und dann die D21/D45/D913 entlang bis nach Nomeny, wo
wir endlich einen Bäcker finden, noch frisches Brot holen und
in einer Bar einen Kaffee trinken und eine erste Pause einlegen.
Nomeny ist eines dieser charmanten französischen Landstädtchen,
die vom Tourismus links liegen gelassen werden und die wohl auch
kaum etwas Spektakuläres zu bieten haben. Bis auf das grosse
Kriegerdenkmal an einem Kreisverkehr.
Mir
fallen gerade Beobachtungen der letzten Tage ein: in Frankreich
hat man anscheinend ein recht unverkrampftes Verhältnis zum
Verbrennungsmotor und dessen ausgepufften Abgasen, denn kaum einer
kommt hier auf die Idee, den Motor seines Autos abzuschalten, wenn
er in die Bar geht, wenn er vor dem Geldautomat in der Warteschlange
steht, wenn er zum Bäcker Brot kaufen geht, etc. Da läuft
die Kiste halt einfach im Standgas weiter
minutenlang völlig
umsonst. Man könnte natürlich mutmassen, dass die französischen
Autos Probleme mit dem Anlasser haben und nur schwer zu starten
sind - aber aus meinem eigenen Erfahrungsbereich (ich bin in meinem
früheren Leben als Autofahrer Renault gefahren) kann ich das
nicht bestätigen.
Über
die D44 kommen wir ins Tal der Natagne, einem Zufluss der Mosel.
Die D10 führt uns auf halber Anhöhe ins Moseltal, das
wir bei Dieulouard erreichen. Hinüber über die Mosel und
in Dieulouard innerorts den Hügel hinauf - die Steigung ist
moderat und wir haben kurz vorher etwas gegessen, wir strotzen also
geradezu vor Energie (natürlich nicht wirklich...). Bei Griscourt
heisst die Gegend dann plötzlich "Kleine Lothringische
Schweiz" und wenn man sich die Landschaft während der
nächsten Kilometer so betrachtet, versteht man schon, wie man
zu dieser Assoziation kommt. Allerdings ist es hier lange nicht
so zersiedelt und generell hat man in Frankreich ja immer das Gefühl
grösserer Naturnähe oder "Wildheit" - einfach
weil hier nicht jeder Quadratzentimeter Boden zu Tode gepflegt wird.
Die D106 leitet uns durch ein kleines Flusstal. Entweder liegen
heute alle Orte oben auf der Hangkante oder unten im Tal, und man
rauscht mit Caracho in die Dörfer hinein, nur um am anderen
Ortsende wieder mühseelig nach oben zu kurbeln (oder umgekehrt).
Nach
Martinscourt, auf dem Weg nach Manonville, gibt uns ein langgezogener
und steiler Anstieg fast den Rest - es ist nämlich "heiss"
geworden und wir sind diese Temperaturen gar nicht mehr gewöhnt.
Dann: Noviant-aux-Prés, Bernécourt, Beaumont. Wieder
mal kerzengerade, fast wie mit dem Lineal gezogene Landstrasse,
aber wellig wie die Dünung im Atlantik.
Dann
kommt nochmal ein Highlight: nach Beaumont gleiten wir hinunter
in ein weites Tal, das einen Stausee, den Lac de Madine, birgt.
Wir radeln über Seicheprey und Richecourt auf Montsec zu, ein
Ort, der am Hang des Butte de Montsec errichtet wurde. Dieser Butte
de Montsec ist ein oben abgeflachter Kegel, auf dem ein weithin
sichtbares Memorial errichtet wurde, so ein Rundbau mit griechischen
Säulen, ähnlich der Befreiungshalle in Kelheim. Das kümmert
uns im Moment aber eher weniger, wir möchten mit dem letzten
Rest Energie noch ein bisschen weiter kommen, nämlich nach
Heudicourt-sur-les-Côtes. Wir kommen leider auf die glorreiche
Idee, den Richtungspfeilen "Tour de Lac" zu folgen und
den Weg am Seeufer auszuprobieren, damit wir nicht weiterhin der
Landstrasse folgen müssen, die am Talrand im stetigen Auf und
Ab dahinführt. Pustekuchen! Wir halsen uns drei Kilometer Umweg
auf, der Uferweg wird bald zu morastig, um unsere Räder zu
tragen. Tja
dumm gelaufen und eine unnötige Fleissarbeit
absolviert...
Jedenfalls:
kaum eine halbe Stunde später liegt Margrit schon in der Badewanne
in unserem Zimmer im Landgasthof "Du
Lac de Madine". Das Gebäude, von aussen nicht wirklich
spektakulär, wartet jedoch innen mit angenehmen Ambiente auf,
die Korbmöbel im Foyer und die übrige Innenausstattung
erinnern uns an eine dieser Lodges in Afrika. Und die Badewanne
verfügt über Massagedüsen! Wir kommen überein
- nicht nur angesichts der massagebedüsten Badewanne - dass
wir zwei Nächte hierbleiben werden und morgen einen Pausentag
einlegen. Nötig haben wir es beide. Während wir Abendessen
(das Essen ist wieder hervorragend und unsere Bedienung ist eine
äusserst charmante und witzige afrika-stämmige junge Dame
und wir hören beim Essen zuerst Simply Reds "Stars"-Album
und danach Carla Brunis "Quel qu'un ma dit" und der Wein
aus dem Loiretal ist fast eine Offenbarung) weichen wir unsere Wäsche
in der Badewanne ein und wir werden gleich ausprobieren, ob die
Massagedüsen der Wanne der Wirkungsweise einer Waschmaschine
gleichkommen (nur so nebenbei: sie tun es nicht...)
Gestern
sind wir mit Filmmelodien von Ennio Morricone beschallt worden und
zwar à la George Zamphir mit Panflöte weichgespült.
Bei einigen Stücken war das noch so halbwegs akzeptabel, aber
bei "Spiel mir das Lied vom Tod" klang es deplaziert
die
markante Mundharmonica-Passage mit der Flöte
ich weiss
ja nicht
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Samstag,
3.6.2006. Ruhetag in Heudicourt-sur-les-Côtes (18 km)
Ich
sitze auf der Terasse unter einem Lindenbaum und sehe zwei Radler
auf der Strasse vorbeiziehen, die Velos hoch beladen, wohl mit kompletter
Campingausrüstung. Es sind die ersten Reiseradler seit dem
Verlassen des Rheintales und hoffentlich haben sie warme Schlafsäcke
dabei! Ich bin froh, dass unser Zelt zuhause geblieben ist, denn
bisher hätten wir es noch gar nicht benutzt und das Gewicht
nur unnütz mit uns herum geschleppt.
Heute
gibt es einen längst fälligen Ruhetag. Neun Tage sind
wir nun am Stück gefahren, und es waren anstrengende Tage.
Die Kälte und der Gegenwind haben uns doch einiges abverlangt,
vor allen Dingen auf die Temperaturen waren wir so nicht vorbereitet.
Heute zum Beispiel ist es dagegen richtig warm! Kaum zu glauben
- ich kann hier mit T-Shirt und barfuss in den Sandalen im Freien
sitzen! Ohne dass ich friere!
Wie
weit wir wohl noch kommen? Wir wollten ja - bei der vorletzten Variante
mit dem Startpunkt Basel - bis Brüssel radeln (von dort gibt
es eine direkte Zugverbindung mit Velomitnahme zurück nach
Basel), aber da wir schon von unserer Haustür aus losgeradelt
sind, haben wir 2 ½ Tage "verloren". Zudem waren
die bisher gefahrenen Etappen teilweise kürzer als geplant,
sodass sich die gesamte Strecke nun nicht mehr mit den noch verbleibenden
Urlaubstagen bewältigen lässt. Das ist nicht weiter tragisch,
wir fahren eben soweit wir kommen. Und ganz eigentlich bin ich jetzt
schon mit der "Ausbeute" dieser Reise zufrieden. Gerade
die letzten Tage seit Saverne waren recht sehenswert - schade, dass
diese Gegend hier oft nur Transitstrecke für Reisen ins westliche
Frankreich ist.
Der
Lac de Madine ist ein Stausee, der vor etwa 25 Jahren angelegt wurde.
Natürlich hat man hier ein Naherholungszentrum gebaut, mit
Yachthafen, Campingplatz, Segelschule, etc. Aber es gibt auch ein
Naturschutzgebiet. Was wohl unter dem See begraben liegt? Schützengräben?
Minenfelder? Bunker und namenlose Gräber? Ich will es gar nicht
wissen! Neben dem Hotel auch hier ein Kriegerdenkmal, zum Andenken
an "
nos Enfants morts pour la France". Was sind
wir nur für Kreaturen, die ihre eigenen Kinder als Kanonenfutter
verheizen (lassen)! Und wie verdammt leicht man sich immer noch
mit Propaganda-Fallen wie "Ehre" und "Vaterland"
ködern lässt! Beispiele aus Gegenwart gefällig? Einfach
nur die Zeitungen aufschlagen oder die Nachrichten anschauen
Immerhin
scheinen die zwei Erzfeinde Deutschland und Frankreich nun halbwegs
zusammengewachsen zu sein. Als wir heute am Vormittag das Arreal
besichtigen, lässt ein deutscher Freizeitkapitän grad
seine Yolle zu Wasser und der ortsansässige Hafenangestellte
fachsimpelt mit ihm auf DEUTSCH! Auch uns ist man in den letzten
Tagen immer wieder mit der deutschen Sprache entgegen gekommen,
wenn man gemerkt hat, dass uns das Französische nicht immer
so geläufig von den Lippen tropft.
Mir
geht langsam der Lesestoff aus. Wie es bei Ruhetagen so üblich
ist, wachsen die schon gelesenen Seitenzahlen und der noch zu lesende
Rest schmilzt dahin wie Speiseeis in Äquatorialnähe. Da
ich normalerweise auf Radreisen eher schreibe und zeichne und in
Landkarten und Reiseführern schmöckere, nehme ich immer
nur ein "Alibi-Buch" mit, das dann meist erst gelesen
wird, wenn ich wieder zuhause bin. Diesmal habe ich "Der Geliebte
der grossen Bärin" von Sergiusz
Piasecki dabei und bin freudig überrascht, dass mich dieses
Buch auch beim jetztigen Zweitdurchlauf genauso fesselt, wie damals
vor x-Jahren, als ich es zum ersten Male gelesen habe.
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Sonntag,
4.6.2006. Heudicourt-sur-les-Côtes bis Marre (54 km)
Bevor ich es vergesse und/oder mir was anderes dazwischen kommt:
die ornithologische Ausbeute des Tages sind ausser den üblichen
Verdächtigen (Milane, Reiher, etc.) eine Goldammer, eine Weihe,
Falken, die paarweise fliegen und ein Mäusebussard, der sich
anscheinend aus purer Freude am Fliegen im Aufwind tummelt. Und
nun, da das erledigt ist, weiter im Text:
So verblüfft wie heute Nachmittag waren wir selten zuvor! Nachmittags
um drei schieben wir unsere Räder nach 54 Gegenwind-Kilometern
in den Innenhof des Hotels "Le
Village Gaulois" und finden eine verträumt-rustikale
Oase vor. Ein Rundbau, der wie ein Gebäude aus den Asterix-Romanen
aussieht, viel Grün, grosse Laubbäume, alles mit sehr
viel Liebe zum Detail von einem Herrn erschaffen, der nicht nur
handwerklich sehr geschickt und kreativ ist, sondern auch in der
Küche, hinter dem Herd, allerhand Köstliches hervorzaubert
- ausserdem kann er es gut mit seinen Gästen. Und das alles
zwölf Kilometer nördlich von Verdun in einem Dorf mit
vielleicht 100 oder 150 Einwohnern. Merveilleux! Warum das alles
"nur" mit zwei Sternen klassifiziert ist, kann ich nicht
so recht nachvollziehen, jedenfalls ist unser Zimmer sehr liebevoll
eingerichtet, sehr sauber und die Küche ist hervorragend. Die
Zimmer haben hier keine Nummern, sondern Namen - leider hab ich
den unseres Zimmers vergessen - war irgendein Blumenname. OK, ein
bisserl kitschig, geb ich ja zu...aber es fügt dem heutigen
Tag einfach noch eine andere emotionelle Komponente hinzu.
Heute früh war es wolkenlos und schon nach dem Frühstück
recht warm - was will man mehr? Der Pausentag hat uns gut getan
und wir lassen das Wirrwarr am Frühstücktisch über
uns entgehen. Im Hotel in Heudicourt taucht nämlich eine Reisegruppe
zum Frühstücken auf und belegt den ganzen Frühstücksraum,
kaum dass wir an unserem ersten Kaffee genippt haben. Das sorgt
für reichlich Wirbel und will vom Personal natürlich erstmal
in den Griff bekommen werden.
Wir sind dann jedenfalls bald auf Piste und lassen diesen freundlichen
Ort hinter uns. Um ins Tal der Meuse zu kommen, müssen wir
heute zuerst einen letzten Höhenzug überwinden. Wir wählen
dazu die kleine D133, die uns während des Steigens lange einen
Blick auf den See schenkt, der im gelben Morgenlicht unter uns ausgebreitet
daliegt. Nach zwei Kilometern geht's dann auf der anderen Seite
flott bergab und
jetzt hat uns der Wind wieder in seiner Gewalt. Der Wind...das sind
die Seelen der Gefallenen, die hier nicht zur Ruhe kommen, denke
ich mir dabei... Hier ist es spürbar kälter als auf der
anderen Seite dieser Hügelkette, erneut kommen Fleecepulli,
Windjacke und Handschuhe zum Einsatz.
Chaillon, Lavignéville, Lamorville - kleine Orte auf dem
Weg ins Meusetal. Bei Lacroix-sur-Meuse erreichen wir den Fluss.
Wir radeln von der D162 auf den Ort zu, dessen Panorama von einer
imposanten Kirche dominiert wird. Leider kann ich mich nicht dazu
entschliessen, anzuhalten und zu fotografieren, denn dieses Bauwerk
hat etwas sehr Ausgewogenes und Harmonisches. Die Kirche hat etwas
Trutziges und doch Filigranes an sich. Besonders das Farbenspiel
zwischen dem Blaugrau des Schieferdaches, den orangefarbenen Flechten
und dem hellen Mauerwerk ist optisch sehr reizvoll. Wir wählen
die D964 auf der rechten Flussseite und radeln bei mässigem
Ausflugs- (Wohnmobil-)verkehr dahin. Bei Dieue-sur-Meuse wechseln
wir über die Meuse und nähern uns langsam Verdun. Fast
jeder Ort hat hier seinen eigenen Soldatenfriedhof und in den Wäldern
oberhalb des Flusses liegen die ehemaligen Schlachtfelder. Aber
die Landschaft ist mild und heiter und erinnert mich erstaunlicherweise
sehr an meine Heimat in der bayerischen Oberpfalz - ich komme mir
vor, als ob wir die Naab oder die kleinere Schwarzach entlang rollen
würden.
Verdun verschwindet bald hinter uns und wir berühren lediglich
die Wohnsiedlungen oder Vororte diesseits des Flusses. Wir sind
auf der Suche nach einem Café oder einer Bar, die wir endlich
in Thierville finden. Leider haben wir auf der ganzen Reise bisher
kaum Strassencafés gesehen. Das vermisse ich etwas. Aber
es hat natürlich auch sein Gutes - wir laufen dadurch auch
nicht Gefahr, latent vorhandene Hungeräste mit Kuchen und Gebäck
oder Junkfood zu übertünchen, sondern ernähren uns
diesmal während der Tagesetappen recht gut und vernünftig
mit dem mitgeschleppten Proviant und der Kaffeekonsum hält
sich ebenfalls in Grenzen...
Etwas aufgewärmt machen wir uns nun auf den Weg nach Marre,
immer auf der D38 entlang, den monströsen Turm des Soldatenfriedhofes
oben in den Hügeln beim Fort Douaumont immer im Blickfeld.
Marre ist eines dieser typischen Dörfer hier: das der Strassenseite
zugewandte Gesicht ist oft recht karg, aber die Hinterhöfe
haben es dafür in sich...
War eine schöne Tagestour heute, von nachdenklichen und auch
heiteren Stimmungen geprägt. Und am Spätnachmittag ist
es uns vergönnt, im Garten des Hotels noch ein paar Sonnenstrahlen
zu geniessen.
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Montag,
5.6.2006. Marre bis Sedan (80 km)
Dass
achtzig Kilometer Radfahren durch nicht wirklich flaches Gelände
müde machen können, merken wir daran, dass wir in Sedan
das Hotel nicht finden können, in dem wir gestern noch ein
Zimmer reserviert haben. Stattdessen geben wir die Suche auf, als
uns nicht zu übersehende Hinweisschilder in ein Hotel der Campanile-Kette
leiten. Und daran, dass ich beim Versuch, Wasser in die Wanne laufen
zu lassen, das halbe Badezimmer unter Wasser setze...tja...
Heute war ein Tag der Düfte! Damit spiele ich jetzt nicht auf
uns an, die wir nach des Tages "Arbeit" nicht mehr so
ganz taufrisch aus der Wäsche gucken, sondern auf das heute
während der Tour Erschnupperte: frisch gemähtes Gras und
trockenes Heu, Kamille und allerlei Wiesenkräuter.
Es fing gut an heute. Der Himmel zeigte sich zwar bedeckt, doch
die Temperaturen lagen deutlich oberhalb Handschuh-Windjacken-Bereiches
und - ganz wichtig! - der Wind hatte sich gelegt! Sieh mal einer
an! Also eigentlich schon fast ideale Bedingungen!
Wohl aus diesem Grunde treten wir morgens etwas forscher in die
Pedale, als wir es bisher taten. Endlich mal wieder Tempo jenseits
der 11-13 kmH! Wir radeln die D123 entlang, immer schön auf
der Westseite der Meuse. Gleich auf den ersten Kilometern geht's
lange aufwärts durch ein Waldgebiet namens Mort-Homme, an einem
im Krieg zerstörten Dorf vorbei und dann hinab nach Forges-sur-Meuse.
Auf der nächsten, leicht welligen Passage, geben wir immer
noch Gas, bis wir kurz vor Dun-sur-Meuse merken, dass wir schon
ein bisschen abgekämpft sind. Hoppla, was tun wir uns da an?
Wir wollen doch heute noch bis Sedan kommen, also sollten wir etwas
umsichtiger mit unseren Kräften umgehen!
Von Dun-sur-Meuse sieht man schon weitem eine grosse Kirche, die
auf einer Anhöhe über dem Städtchen errichtet wurde.
In der Annahme, dort irgendwo eine Bar zu finden, radeln wir auf
die Innenstadt zu - auf einer Hauptstrasse, die mit recht schönen
Vorortvillen gesäumt ist. Rechter Hand kommen wir dann an einem
Campingplatz mit geöffneter Bar vorbei...und schon haben wir
unsere Pause. Wir sitzen neben einem Kiosk direkt an einem See,
neben dem sich der Campingplatz erstreckt und geniessen Kaffee und
Brotzeit.
Nach Dun-sur-Meuse weitet sich das Flusstal für eine Weile
und für die nächsten paar Kilometer - über Sassey-sur-Meuse,
Saulmory-et-Villefranche, Wiseppe und Laneuville-sur-Meuse - können
wir fast steigungsfrei dahingleiten. Heute, am Pfingstmontag, haben
wir die Strassen fast für uns alleine und es ist sehr ruhig.
Nicht zuletzt deswegen beschliessen wir, von Laneuville aus die
D30 bis Beaumont-en-Argonne zu nehmen und eine Flussschleife abzukürzen,
und handeln uns damit prompt den anstrengensten Abschnitt des Tages
ein. Die Strasse ist wieder mal schnürchengerade, es geht dauernd
auf und ab, wahrscheinlich gibt's auf diesem Dutzend Kilometer kaum
einen flachen Meter.
Da ist in Beaumont-en-Argonne eine Pause fällig, keine Frage.
Der Kirchplatz bietet sich dafür ja auch bestens an. Schönes
historisches Ambiente. Leider sind manche Fassaden sehr renovierungsbedürftig
und es fehlen wohl die Mittel.
Weiter auf der D19 wartet nochmals eine Steigungsstrecke auf uns,
aber dann werden uns etliche Kilometer Abfahrt - ich glaube, es
sind fünf oder sechs - bis Mouzon geschenkt. Ab da läuft
die Strasse relativ flach im Flusstal dahin, nur einmal, so circa
bei Remilly, scheucht man uns nochmals eine Anhöhe hinauf,
doch die Aussicht von oben entschädigt für diese Kletterpartie.
Bei zunehmender Verkehrsdichte schleppen wir uns noch bis Sedan
und fädeln uns irgendwie in den Stadtverkehr ein, immer Richtung
Innenstadt, in der Hoffnung, auf Hinweisschilder für Hotels
und speziell für unser Hotel zu stossen. Aber dem ist nicht
so. Erstmal Kaffee und dann jemanden fragen. Man schickt uns wieder
zurück in die Richtung, aus der wir soeben gekommen sind, aber
unsere Suche bleibt auch jetzt erfolglos und wir nehmen dann die
schon beschriebene Gelegenheit wahr und bestellen später das
eigentliche Zimmer ab. Auf die Idee, dass wir ja im Hotel selber
hätten anrufen und uns den Weg hätten erklären lassen
können, kommen wir nicht. Manchmal sitzt man eben auf der Leitung...
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Dienstag,
6.6.2006. Sedan bis Charlesville-Mézières (38 km)
Zugfahrt nach Reims
Irgendwie
hat die gestrige Tauchfahrt in Sedan keinerlei herzhaften Appetit
auf eine Stadtbesichtigung geweckt. Die Aussicht, am heutigen Werktag
nochmals mit dem Schwerverkehr in die Innenstadt zu rollen, ist
nicht gerade verlockend. Zudem liegt unsere Unterkunft auf der "richtigen"
Seite der Stadt und wir müssen uns lediglich aus dem Knäuel
der Ausfallstrassen herauswinden und schon kann die Reise weiter
gehen.
Also reisen wir weiter. Der strahlende Sonnenschein und der blaue
Himmel ziehen uns sowieso nicht in die Stadt. Wie umgehen wir das
Ballungsgebiet um Charlesville-Mézières, um das Tal
der Meuse Richtung Belgien zu folgen, das ist jetzt die Frage! Wir
machen es so: beim Städtchen Donchery (auf dessen Marktplatz
wohl über's Pfingstwochenende ein Rummelplatz stattfand - überall
stehen Fahrgeschäfte und Schaubuden herum) queren wir den Fluss
und nehmen die kleine D334 nach Vrigne-aux-Bois, radeln anschliessend
weiter auf der winzigen D57. Nach Issancourt-Rumel gibt's einen
Absteigen-Und-Schieben-Berg, in Gernelle nochmals, und dann können
wir die Räder nach La Grandville und weiter nach Neufmanil
hinunterrollen lassen. Das war jetzt eine recht idyllische Fahrt!
Kein Verkehr, interessante Landschaft und vor allen Dingen sehr
freundliche Orte - einer der schönsten Abschnitte der ganzen
Reise! Wir sind in den Ardennen angekommen.
Nach Neufmanil dann Szenenwechsel. Neufmanil - selber noch recht
dörflich - geht fast nahtlos in die Stadt Nouzonville über,
und als wir der D22 ins Meusetal folgen, nimmt der Verkehr, vor
allen Dingen der LKW-Verkehr, rapide zu. Die Häuser neben der
Strasse rufen unangenehme Assoziationen an die düsteren Siedlungen
der englischen Industriestädte hervor, alles ist eng und verkehrsreich
und irgendwie kommt der Kontrast zur weiten und ruhigen Landschaft
vor 10 Minuten viel zu abrupt, als dass man ihn sofort verarbeiten
könnte. Die Stimmung sinkt und bereitet den Nährboden
für die folgende Episode: in Nouzonville gibt's eine Brücke
über den Fluss, nicht sonderlich hoch oder für mich "beängstigend",
aber irgendwie fühle ich mich grad im Off und bocke beim Befahren
der Brücke wie ein störrischer Esel, besonders als auf
dem Scheitelpunkt der Brücke ein Stau entsteht, da die Ampel
am anderen Ende auf Rot steht. Bitte nur das nicht! Mir jagt das
Adrenalin den Rücken hoch und ich gerate in diese Scheisspanik
und kann nicht anders, als mich links an der Autoschlange vorbeizudrängen,
um nur ja von dieser verflixten Brücke runter zu kommen! Immerhin
funktioniert das so einigermassen, weil die Autofahrer viel zu verblüfft
sind, um gross Einspruch zu erheben - der auch hier ungewohnte Anblick
eines Liegerades verhindert ein Hupkonzert. Drüben, wieder
auf "festem Boden" angekommen, braucht's dann eine Weile,
bis ich wieder zu mir zurück gefunden habe. Alle die das hier
lesen und NICHT mit Höhenangst, Klaustrophobie und/oder ähnlichen
Neurosen umgehen müssen: seid dankbar dafür! Im Ernst
jetzt!
Unser Weg sollte uns nun eigentlich die D1 entlang führen,
nach Bogny-sur-Meuse, Montherme, Revin und weiter bis nach Belgien.
Aber nach ein paar Minuten wird uns klar, dass es so nicht weitergeht:
hier rollt der gesamte Schwerverkehr durch, Brummi über Brummi,
dazwischen riskant überholende PKW-Fahrer. Dazu kommt noch,
dass die Strasse nicht gerade überbreit ist und wir nicht so
weiträumig überholt werden, wie wir es auf ruhigeren Strassen
bisher erlebt haben. Dabei ist diese Strasse noch als relativ klein
in der Landkarte verzeichnet und soll dann aber später, bei
Fumay, zur Route Nationale werden. Und das ist dann die einzige
Möglichkeit, um im Flusstal vorwärts zu kommen. So soll
es also nun weitergehen? Dauernd nur mehr auf den Verkehr konzentriert
und keine ruhige Minute mehr, um die Landschaft zu geniessen?
Krisensitzung an einer Ausweichbucht. Das Landkartenstudium macht
uns auch nicht schlauer. Wie man es auch dreht und wendet, die einzig
vernünftige Möglichkeit, nach Norden voranzukommen, wäre
die Strecke im Flusstal selbst. Doch die Vorstellung, die letzten
Urlaubstage mit den Lastwagenfahrern zu teilen, klingt nicht gerade
rosig. Wir kommen endlich zu einem Entschluss: genau hier, ein paar
Kilometer nördlich von Nouzonville, wird unsere Fahrt nach
Norden enden!
Wir kehren um und machen uns frustriert auf den Weg nach Charlesville-Mézières,
um dort am Bahnhof die Möglichkeiten für die nächsten
Tage abzuchecken. Und die Fahrt nach Charlesville hat es jetzt wirklich
noch in sich: Schwerverkehr, Steigungen, gleissende Mittagssonne
und anschliessend dann der hektische Stadtverkehr - Radfahren zum
Abgewöhnen! Ich bin froh, dass mich niemand fluchen hört...Ausgerechnet
heute, wo das Wetter endlich ideal ist, sind wir mit so einem Mist
konfrontiert! Im Endeffekt sind wir dann aber doch dankbar, dass
wir mit heilen Knochen bis in die Innenstadt gelangen.
Es ergibt sich letztendlich folgende Lösung: wir fahren heute
noch mit dem Zug nach Reims. Morgen früh nehmen wir dann den
Zug bis Strassbourg und dort warten dann noch zwei gemütliche
Radltage nach Süden Richtung Basel auf uns. So machen wir's!
Basta!
Also Fahrt mit dem Regionalexpress nach Reims, Ankunft in Reims
16:14. Fünf Minuten später haben wir bereits im Hotel
Ibis direkt am Bahnhof ein Hotelzimmer bezogen und in Erfahrung
gebracht, dass die berühmte Kathedrale bis um halb acht besichtigt
werden kann. Yippie! Jetzt sind wir wieder drauf, jetzt stimmt's
wieder, jetzt sind wir wieder wer!
Tja, die Kathedrale zu Reims. Eigentlich sollte ich den Untertitel
dieser Reise, also "Roulette mit dem Wettergott" noch
umändern. Vielleicht "unerwarteter Höhepunkt"
oder "wie man auf Umwegen zum eigentlichen Reiseziel geführt
wird" oder so etwas in der Art. Nach der Besichtigung der Kirche
drängt sich so ein Gedanke auf, als ob die Reise von vornherein
nur Reims und nichts anderes als Reims zum Ziel gehabt hätte!
Nur ich hab's einfach nicht gemerkt und musste den "Umweg"
über's Meusetal nehmen... Jedenfalls sind wir mit den unliebsamen
Erlebnissen des heutigen Tages absolut versöhnt, schon als
wir nach dem Duschen zur Besichtigung aufbrechen. Das hier ist der
Höhepunkt der Reise, der Zenit. Ich will die Kathedrale hier
gar nicht gross beschreiben, man findet im Web genügend Infos
darüber und einige von euch waren ja bestimmt auch schon hier.
Ich werde nur ein paar Fotos reinstellen, damit wenigstens ein bisserl
was rüber kommt. Für mich sind gotische Kirchen einfach
die schönsten und erhabensten Bauwerke, die die Baumeister
des Abendlandes hervorgebracht haben, und diese hier ist eine besonders
eindrucksvolle!
Später
dann Chill-out in der Fussgängerzone. Wir sitzen bzw. liegen
in einer Bar in zwei Liegestühlen und beobachten das Strassenleben
und sind so rundum glücklich und zufrieden - was für ein
vielfältiger Tag!
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Mittwoch,
7.6.06. Zugfahrt von Reims nach Strassburg. Strassbourg bis Sand
(34 km)
Man muss sich das mal vorstellen: Filterkaffee! Von der Minibar
im Zug! Das ist Frankreich! Als Gegengewicht gibt's in unserem Abteil
keinerlei Tischchen oder eine andere Möglichkeit, die heisse
Tasse abzustellen. Auch das ist Frankreich...
Auch am Tag danach erscheint es uns als eine gute Lösung, die
Tour in Charlesville-Mézières beendet zu haben und
schon jetzt mit dem Zug zurück zu fahren. Der vorher nicht
geplante Besuch der Stadt Reims war wie ein Juwel in der Krone dieser
eindrucksvollen Reise! Zudem sind die Züge heute so schön
leer und es stört sich niemand daran, dass die Streetmachine
Gt auf der Einstiegsplattform unserer Waggons herumsteht, denn der
Lenker meines Rades ist um ein kleines bisschen zu breit für
die Tür des Veloabteiles hier im Zug. Der Schaffner mault zwar
etwas von wegen seiner Verantwortung, wenn etwas passiert, aber
er zieht dann seines Weges und lässt uns in Ruhe. Was wohl
am Freitag in den Zügen Richtung Deutschland los sein wird,
wenn die Fussball-WM beginnt?
Um die Mittagszeit kommen wir in Strassbourg an und radeln in die
Altstadt, um mit der Besichtigung des Strassburger Münsters
eine Symmetrie zur gestrigen Kathedrale herzustellen (so ein Quatsch...aber
ich lasse den Satz trotzdem mal so stehen). Dann suchen wir uns
einen Weg hinaus aus der Stadt. Strassbourg ist mit Touristen überladen
und ein recht beliebtes Ziel für Gruppen- und Schülerreisen.
Sehenswert ist es schon hier, das gebe ich gerne zu, aber mir wird
der städtische Trubel schnell zu bunt und ich will nur mehr
raus ins Grüne.
Wir radeln entlang des Rhône au Rhin Canals nach Süden.
Es ist eine ereignislose Fahrt, irgendwie eintönig. Ich bin
heute recht müde und schleiche im Halbschlaf hinter Margrit
her. Anfänglich wird der Kanal noch von riesigen Bäumen
(Platanen?) gesäumt, später radeln wir in einem Korridor
aus Buschwerk dahin. Auf dem Kanal tuckern die Freizeitkapitäne
wieder von Schleuse zu Schleuse und bemerken den Kadaver eines toten
Rehes gar nicht, der neben ihnen im Kanal treibt.
In Strassbourg haben wir noch per Handy im "La Charrue"
ein Zimmer flott gemacht, wir wissen also, was uns heute Abend erwarten
wird. Am späten Nachmittag treffen wir dann in Sand ein und
freuen uns, dass wir die eigentlich Rückreise schon hinter
uns, aber noch zwei Radltage vor uns haben.
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Donnerstag,
8.6.06. Von Sand bis Rouffach (68 km)
Wie gesagt: es radelt sich ganz gut mit dem Gefühl, die Heimreise,
die einem als Radler mit Gepäck immer ein wenig im Magen liegt,
schon vollzogen zu haben. Naja, noch sind wir nicht zuhause - wir
sind ja noch mitten im Elsass unterwegs und haben noch zwei Tagesetappen
vor uns. Aber irgendwie fühlt sich das nun schon wie ein Heimspiel
an (ohne dass ich jetzt angesichts des Tagesgeschehens in den Fussballjargon
fallen möchte).
Und so gleiten wir also heute nochmals hinaus in die Felder und Fluren
der Oberrheinischen Tiefebene. Es ist Sandalen- und T-Shirt-Wetter
und wir haben - man lasse sich das auf der Zunge zergehen - RÜCKENWIND!!
Mit zwei Ausrufezeichen!! Wir sind im Prinzip auf derselben Strecke
unterwegs wie schon am vierten Tag dieser Reise, halt nur bei schönem
Wetter und diesmal aus der anderen Richtung kommend. Wie völlig
anders das alles aussieht, wenn die Sonne vom Himmel lacht! Da zeigen
sich die schmucken Elsässer Dörfer von einer ganz anderen,
nämlich ihrer besten Seite: Muttersholtz oder Baldenheim oder
Ohnenheim oder Elsenheim oder Jebsheim.
Ich will aber trotzdem nicht verschweigen, dass angesichts der flachen
Gegend bald ein wenig Langeweile aufkommt - wir haben uns inzwischen
an ein vielfältigeres Landschaftsbild gewöhnt. Als wir bei
Muntzenheim mal einen Gang zurückschalten und eine schräge
Rampe hinaufradeln müssen, um einen Kanal zu überqueren,
meint Margrit: "wenigstens mal wieder so etwas Ähnliches
wie eine Steigung..." Hört, hört!!
Wir schleichen uns östlich an Colmar vorbei und kommen nach Sainte
Croix-en-Plaine auf der D201 und dann auf der D8 nochmal mit Schwerverkehr
in Berührung, doch schliesslich sind wir in Rouffach, unserem
letzten Etappenort, angekommen.
Hier haben wir uns im "A la Ville de Lyon" ein Zimmer vorgebucht.
Wir folgen der Ausschilderung zu unserem Hotel und einen Augenblick
lang stockt mir der Atem, als wir vor uns auf einer Anhöhe einen
schloss-ähnlichen Bau mit grosser Terasse und dem Hinweis auf
ein hauseigenes Schwimmbad sehen. Das wär's jetzt noch! Den Rest
des Nachmittages in einem Schwimmbad verplantschen! Leider zweigt
der Weg dann kurz vorher doch noch ab und wir stehen unverhofft vor
unserer Bleibe. Aber - man stelle sich das mal vor - auch hier gibt
es einen Swimming Pool samt Whirlpool! Glück muss man haben!
Wie der Rest des Nachmittags nun aussieht, kann sich wohl jeder selbst
ausmalen! Wir landen abends jedenfalls recht relaxed im Hotelrestaurant
und bestellen ausnahmsweise mal auf's gerade Wohl das Menü des
Tages, ohne sämtliche Details vorher genau zu wissen. Da geht's
dann nochmals richtig zur Sache! Besonders angetan bin ich von den
beiden Vorspeisen der Vorspeise: zuerst ein Snack aus Brennessel-Chips!!
Dann zwei Teelöffel einer kalten Tomatensuppe, eine Art Gazpacho
- und dann geht's los.
Aber darüber hülle ich mich nun in Schweigen, man könnte
uns sonst der Völlerei bezichtigen... |
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Freitag,
9.6.06. Von Rouffach bis Basel (65 km)
Der Rest ist eigentlich schnell erzählt: "Transitstrecke"
nach Basel heisst das Motto des Tages!
Wir machen heute wirklich nur noch Kilometer. Bis auf den ersten Abschnitt
dieser Tagesetappe - also von Rouffach aus bis sagen wir mal Bantzenheim
- sind wir die komplette Strecke schon auf der Hinfahrt geradelt und
sie ist alles andere als spektakulär. In Kembs machen wir noch
Mittagspause im Restaurant am Yachthafen und kaum eine Stunde später
tauchen wir schon ins Basler Stadtgebiet ein und schlängeln uns
im Freitagnachmittagsverkehr zum Bahnhof. Dort ist Rambazamba angesagt:
die WM beginnt ja heute und da jede Möglichkeit wahrgenommen
wird, aus dem Event irgendwie Kapital zu schlagen, macht man auch
hier am Basler Bahnhof auf Fussball...es ist laut und hektisch und
der ganze Schwachsinn geht mir schon auf die Nerven, noch bevor das
Turnier überhaupt eröffnet ist.
Es ist vorbei. Die Reise war trotz des schlechten Wetters in der ersten
Reisehälfte sehr sehenswert und hat uns gut gefallen. Ganz im
Gegensatz zur letzten Radreise stand diesmal die Natur wieder im Vordergrund
und die kulturellen Sehenswürdigkeiten blieben auf ein paar Highlights
beschränkt. Und das war gut so.
Das Übernachtungsverzeichnis von Logis de France war prima! Die
Unterkünfte waren durch die Bank sehr angenehm. Schade nur, dass
wir die Outdoor-Möglichkeiten - also die oft sehr schönen
Gärten und Innenhöfe - nur sehr reduziert geniessen konnten.
Aber wir haben auch die "Nachteile" (wenn man sie als solche
einstufen möchte) kennengelernt: zum überwiegendem Teil
sind wir in Landgasthöfen untergekommen, die sich in kleinen
Orten befinden. Und die Restaurants in den Hotels sind dann oft die
einzigen Gaststätten am Ort. Man kann also nicht einfach mal
zum Italiener gehen oder ein Döner ziehen, sondern landet automatisch
im Hotelrestaurant - und das geht natürlich dann ins Geld. Für
uns war das in Ordnung und auch so eingeplant und wir sind kulinarisch
voll auf unsere Kosten gekommen (was wir sehr schätzen).
Und jetzt, nach ein paar Tagen Abstand, denke ich, dass wir nächstes
Jahr vielleicht wieder nach Westen ziehen werden. Wir haben weder
Polen noch Tschechien vermisst, und einmal, ich glaub' das war beim
Abendessen in Heudicourt, haben wir darüber gesprochen, dass
wir in letzter Instanz dann doch Wein aus dem Loiretal oder Burgund
einem Pilsener Urquell oder Budweiser vorziehen...Hand auf's Herz! |
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